Schuldenfalle Nr.1 sind Steuern
Steuerschulden sind das grösste Schuldenproblem von Schweizer Privathaushalten. Deshalb ist Plusminus seit 2013 am Projekt «Steuerschulden halbieren». Ein Projekt, das vor allem in der strukturellen Prävention angesiedelt ist.
Jeder zehnte Schweizer Haushalt kann seine Steuerrechnung nicht begleichen. Dies ist nicht nur ein Problem für Bund und Kantone. Zehntausende von Steuerpflichtigen stehen aufgrund ihrer Verschuldung unter grossem Druck: Wegen Einträgen im Betreibungsregister finden sie keine Wohnung, ihre Kinder wachsen am Existenzminimum auf, und oft gehen mit dieser Stresssituation auch gesundheitliche Probleme einher. Gegen diesen Missstand braucht es neben individuellen Verhaltensänderungen auch strukturelle Änderungen.
Die Steuern: Was ist das Problem?
Zu Beginn des Projekts «Steuerschulden halbieren» (pdf, 2013, französische Version: Réduire de moitié les dettes fiscales) haben sich Vertreterinnen und Vertreter von Steuerverwaltung, Schuldenfachstellen, Fachhochschule, Grossbank, Parteien, Wehrpflichtersatzabgabe, Ausländer-, Jugend-, Budgetberatung etc. zu einem Brainstorming getroffen. In der Folge haben sich die Aktivitäten vor allem auf das Schweizer Inkassosystem für Steuern konzentriert. Dieses System ist wohl weltweit einzigartig. Unseres Wissens ist es in keinem andern Land so, dass Angestellte ihren Lohn erhalten, im darauffolgenden Jahr eine Steuererklärung ausfüllen und ihre definitive Steuerrechnung allenfalls ein weiteres Jahr später erhalten, also zwei Jahre nach dem Verdienen des Geldes. Viele Leute haben in der Zwischenzeit das Geld ausgegeben und geraten nun durch die meist hohe Rechnung in Zahlungsschwierigkeiten bzw. in Schulden.
In der Schweiz kennen wir Bundessteuern, Kantons- und Gemeindesteuern und zusätzlich Kirchensteuern. Der Bezug all dieser Gelder ist selbstverständlich von Kanton zu Kanton und auch von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich organisiert. Allen gemeinsam ist: Personen, die eine C-Bewilligung oder einen Schweizer Pass haben, können sich bislang die Steuern nicht direkt vom Lohn abziehen lassen. Sie erhalten einen «Nettolohn» ausbezahlt, der weit entfernt von einem tatsächlichen Nettolohn ist.
Die anderen Personen, in Basel-Stadt sind das etwa ein Drittel der Steuerpflichtigen, werden quellenbesteuert. Das heisst, jeden Monat wird ihnen der entsprechende Anteil Einkommenssteuern direkt vom Lohn angezogen. Sie haben deshalb keine Steuerschulden.
aus: Ciao CASH, Kartenspiel zu Geld und Glück
Der Direktabzug der Steuern vom Lohn
Immer mehr Personen in der Schweiz wünschen sich, dass sie ihre Steuern direkt vom Lohn abziehen lassen können. Das zeigt etwa eine Umfrage von «watson» von Mai 2019:
Die Umfrage von «watson» zeigt: Eine grosse Mehrheit wünscht sich den Direktabzug der Steuern vom Lohn.
Auch in den vorhergehenden Jahren hat es einige Umfragen mit ähnlichen Resultaten gegeben.
Direktabzug − Chronik eines Beinahe-Pilotprojekts in Basel
Plusminus hat 2015 einen Vorstoss angeregt, den der damalige SP-Grossrat Ruedi Rechsteiner als Motion im Juni 2015 im Basler Grossen Rat einreichte. Die Motion verlangte die Einführung eines Direktabzugs der Steuern vom Lohn als Standard in Basel-Stadt. Wer diese Standardlösung nicht wollte, hätte die bisherige Art, Steuern zu zahlen, beibehalten können.
Die Motion wurde intensiv diskutiert und an die Regierung überwiesen. Der freiwillige Direktabzug ging in die Vernehmlassung, die linken und grünen Parteien sprachen sich für die Einführung aus, Wirtschaftsverbände und bürgerliche Parteien waren dagegen. Diese Links-Rechts-Positionierung ist schwer zu verstehen, geht es bei diesem Vorschlag doch weder um die Höhe der Steuern noch um die (Um)Verteilung von Geldern.
Die Regierung erarbeitete einen Ratschlag, wie der Direktabzug umgesetzt werden könnte. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben publizierte zwei Berichte dazu; die Mehrheit war für den Direktabzug, die Minderheit dagegen.
Der Arbeitgeberverband gab alles gegen die Idee des Direktabzugs
Im Vorfeld der Schlussabstimmung im Grossen Rat im Dezember 2017 mobilisierte vor allem der Arbeitgeberverband Basel-Stadt all seine Kräfte, um den Direktabzug zu bekämpfen. Es wurde strikte Fraktionsdisziplin verlangt – auch Grossräte und Grossrätinnen, die sich im Gespräch unter vier Augen für den Direktabzug aussprachen, hielten dem Druck nicht stand und stimmten in der Schlussabstimmung dagegen. Der Direktabzug wurde mit 48 zu 47 Stimmen abgelehnt.
Doch das Thema Steuerverschuldung – bei den Schulden das mit Abstand grösste Problem in der Schweiz – ist lanciert und die Suche nach neuen, innovativen Wegen zur Lösung der Steuerschuldenfalle geht weiter!
In Basel-Stadt wird im 2023 eine Volksinitiative dazu lanciert: Steuern direkt vom Lohn abziehen: SP lanciert Initiative in Basel (bzbasel.ch)
Materialien zum Direktabzug der Steuern vom Lohn:
- Motion von Ruedi Rechsteiner für einen Direktabzug der Steuern vom Lohn, Juni 2015
- Audioprotokolle der Grossratssitzung vom 10. Juni 2015 (10. Motionen 1-2)
- Audioprotokolle der Grossratssitzung vom 28. Oktober 2015 (47. Stellungnahme des Regierungsrates)
- Stellungnahme der Regierung zur Motion, September 2015
- Gutachten der Firma Fehradvice zum Direktabzug der Steuern vom Lohn, Mai 2016
- Französische Übersetzung des Gutachtens der Firma Fehradvice zum Direktabzug der Steuern vom Lohn, Mai 2016
- Vernehmlassungsantwort von Plusminus zum Direktabzug, Sept. 2016
- Ratschlag der Regierung zum Direktabzug der Steuern vom Lohn, März 2017
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Medienmitteilung von Plusminus zum Ratschlag der Regierung, März 2017
Einige Medienbeiträge zum Direktabzug der Steuern vom Lohn
- Frist für Steuererklärung läuft bald ab: Fast 80 Prozent der Basler verpassen ersten Abgabetermin | Basler Zeitung (bazonline.ch) und Leitartikel zum Steuerabzug beim Lohn: Tun wir uns doch selbst den Gefallen | Basler Zeitung (bazonline.ch) vom 18.03.2023
- Regionaljournal SRF Basel / Baselland vom 10. Juni 2015 zur Grossratsdebatte über den Direktabzug
- «SozialAktuell» vom Januar 2016 zum Projekt Steuerschulden halbieren
- «NZZ»- Interview mit dem Verhaltensökonomen Marcus Veit vom 11. Juli 2016
- «Tageswoche» vom 15. März 2017: Alles, was Sie über den Direktabzug wissen müssen
- Echo der Zeit vom 20. April 2017 zum Direktabzug der Steuern vom Lohn
Einige Voten von Betroffenen mit Steuerschulden
Ramon S: «Mit Quellensteuer wäre mir das alles erspart geblieben!»
Balthasar J.: «Die Steuerbehörde hat keine Rücksicht auf meine Situation genommen»
Benjamin S: «2800 Franken Einkommen und die Steuerverwaltung besteht auf Ratenzahlung!»
Steuereinschätzungen
2021 startete das Gemeinschaftsprojekt mir-haelfe.ch. Damit versuchen mehr als 20 soziale Beratungsstellen in Basel, amtliche Steuereinschätzungen zu vermeiden und damit Steuerschulden zu senken. Die Relevanz von amtlichen Einschätzungen im Zusammenhang mit Steuerbetreibungen hat man erkannt also Folge des «Analysebericht 2018: Steuerbetreibungen und Steuererlasse» des statistischen Amts und der Praxisstudie «Amtliche Steuereinschätzungen in Basel-Stadt».
Der Analysebericht
Der Analysebericht zeigt, dass 2013 etwa 5 Prozent jener, die eine Steuererklärung hätten ausfüllen müssen, amtlich eingeschätzt wurden. Dies entspricht insgesamt 5497 Einschätzungen, von denen schliesslich 71 Prozent (entspricht 3896 Veranlagungen) betrieben wurden. Und 61 Prozent der im Jahr 2013 wegen Steuern Betriebenen waren zuvor amtlich eingeschätzt worden. Das heisst, die Mehrheit der Betriebenen wurden zuvor eingeschätzt und die meisten Eingeschätzten wurden danach betrieben. Um mehr über die Gründe herauszufinden, warum Menschen ihre Steuererklärung nicht ausfüllen und was sie dazu bewegen könnte, es zu tun, hat die Fachhochschule Nordwestschweiz in enger Zusammenarbeit mit der Budget- und Schuldenberatungsstelle Plusminus eine Praxisstudie zum Thema durchgeführt.
Amtliche Steuereinschätzungen in Basel-Stadt. Eine Praxisstudie
Christian Eckerlein und Christoph Mattes gehen in dieser Studie der Frage nach, warum Leute ihre Steuererklärung nicht einreichen.Der Anstoss zur Praxisstudie gab eine Publikation des statistischen Amts Basel-Stadt, in der klar wurde, dass die meisten Personen, die bei den Steuern eingeschätzt werden, danach auch betrieben werden. Und dass die meisten betriebenen Personen zuvor eingeschätzt wurden. Die Studie versucht Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
DownloadPraktisches im Zusammenhang mit Steuerschulden und Steuererklärung ausfüllen
Wo Sie Hilfe finden fürs Ausfüllen der Steuererklärung (Basel): mir-haelfe.ch
Elektronisches Ausfüllen der Steuererklärung
Wir zeigen Ihnen, wie eine einfache Steuerklärung ausgefüllt werden kann. Sie können Ihre Steuererklärung mit uns zusammen Schritt für Schritt ausfüllen (nur einfache Steuererklärungen ohne Eigentum und ohne selbständige Erwerbstätigkeit).
Mittwoch, 06.03.2024 von 18:00 bis 20:00 Uhr
Ort: Plusminus, Ochsengasse 12, 4058 Basel
Montag, 16.09.2024 von 18:00 bis 20:00 Uhr
Ort: Familien-, Paar und Erziehungsberatung, Greifengasse 23, 4058 Basel
Anmeldung und Kosten:
Weitere Infos und Anmeldung unter info@plusminus.ch oder Tel.061 695 88 22. Die Veranstaltung ist ein gemeinsamer Anlass von Plusminus und der Familien-, Paar- und Erziehungsberatung Basel (fabe). Sie ist kostenlos und findet bei der fabe statt.
PDF zum Ausdrucken mit allen Infos: Steuererklärung ausfüllen 2024