Lassen Sie sich nicht einschüchtern!
Wenn Sie eine Rechnung nicht zahlen und die Mahnungen ignorieren, geraten Sie in Zahlungsverzug. Wenn sich die Gläubigerin nicht mehr länger ums Geld eintreiben kümmern mag, kann sie ein Inkassobüro beauftragen.
Inkassobüros sind private Unternehmen, die spezialisiert sind, um Geld einzutreiben. Viele von ihnen haben einen schlechten Ruf, weil sie zum Teil mit unzimperlichen Methoden vorgehen.
«Ich werde vom Inkassobüro drangsaliert. Das macht mich krank! Gleichzeitig wächst die Schuld rasant. Ich kann nicht mehr ruhig schlafen.»
Bekommen Sie von einem Inkassobüro eine Mahnung oder einen Zahlungsbefehl, bewahren Sie Ruhe und prüfen Sie die Forderung genau. Lassen Sie sich nicht einschüchtern von Belästigungen und Drohungen wie «Sie machen sich strafbar, wenn …!» Das Inkassobüro kann einzig eine Betreibung einleiten oder vor einem gericht die Forderung geltend machen. Sie haben keine Auskunftspflicht gegenüber dem Inkassobüro, auch nicht über ihre finanziellen Verhältnisse.
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Tipps im Umgang mit Inkassobüros
- Verkehren Sie schriftlich mit dem Inkassobüro (aus Beweisgründen). Entgegenkommen oder Vereinbarungen am Telefon lassen sich später nicht beweisen.
- Verlangen Sie eine Kopie der Originalrechnung. Dann können Sie sehen, wie viele Zuschläge das Inkassobüro verrechnet. Suchen Sie eine Beratungsstelle auf, wenn Sie nicht wissen, welche Zuschläge gerechtfertigt sind. Lassen Sie dort die Forderungen des Inkassobüros überprüfen.
- Behalten Sie alle Akten mindestens zehn Jahre lang auf. Kommt es zu einem Verlustschein oder zu einer Pfändung, sollten Sie alles, was zum Fall gehört, dauerhaft aufbewahren. Vielfach versuchen es Inkassofirmen nach vielen Jahren erneut.
- Unterschreiben Sie keine vorformulierten Abzahlungsvereinbarungen. Oft sind die Raten nicht korrekt berechnet. Unterschreiben Sie auch nicht, wenn man Ihnen «Rabatte» oder «Teilerlass» anbietet. Solche Vereinbarungen beinhalten oft Kosten und Gebühren, die Sie nicht schulden. Mit einer Unterschrift anerkennen Sie diese Gebühren.
- Die Inkassofirma kann ein Unternehmen vertreten. Dazu braucht sie eine Vollmacht. Wenn die Inkassofirma eine Forderung in ihrem eigenem Namen eintreiben will, muss sie beweisen, dass ihr die Forderung abgetreten worden ist.
- Wenn die Inkassofirma Geld von Ihnen fordert, soll sie nachweisen (mit Verträgen und Rechnungen), dass Sie das Geld tatsächlich schulden. Verlangen Sie eine Kopie der Unterlagen. Fordern Sie schriftlich Einsicht in alle Akten, die Sie betreffen. Und zwar kostenlos. Das Datenschutzgesetz gibt Ihnen dieses Recht.
- Es gibt eine Beschwerdestelle. Es ist eine interne Stelle des Inkassoverbands, vertritt also allenfalls eher die Interessen der Inkassofirma, etwa in Bezug auf Verzugsschaden. Sie können sich aber trotzdem kostenlos an diese wenden. Die Adresse lautet: Advokatur Hunziker-Küng, Beschwerdestelle vsi, Postfach 182, 3037 Gümligen.
Spesen und Gebühren, die Sie bestreiten können
- Adressnachforschungen: Ob solche überhaupt zulässig sind, ist sehr umstritten. Ganz sicher unzulässig sind Spesen für eine Adresssuche, wenn Sie seit langer Zeit am gleichen Ort wohnen.
- Zuschläge: Sie schulden keinen sogenanntes «Verzugsschaden nach Art.106 OR», «Rechtsberaterkosten» oder Ähnliches.
- Mahnspesen: Sie schulden grundsätzlich keine Mahnspesen. Ausser, wenn sie vertraglich abgemacht wurden.
- Kundenkosten / Dossier-Eröffnungskosten: Sie schulden dem Inkassobüro keine solchen Kosten.
- Bonitätsprüfungskosten: Diese sind nicht geschuldet.
- Bearbeitungsgebühren, Umtriebsentschädigung, Rechtsberatungskosten: Sie schulden keine solchen Kosten.
Zulässige bzw. schwierig bestreitbare Spesen und Gebühren
- Kosten für frühere Betreibung(en): Diese darf das Inkassobüro Ihnen verrechnen. Ausser, Sie wurden fälschlicherweise betrieben.
- Verzugszinsen: Zahlen Sie den geschuldeten Betrag plus Verzugszinsen von fünf Prozent. Ausser, wenn im Vertrag höhere Zinsen verabredet wurden.
- Löschung des Eintrags im Betreibungsregister: Leider werden Einträge im Betreibungsregister erst nach fünf Jahren gelöscht. Sie können jedoch eine Gläubigerin bitten, den Eintrag früher löschen zu lassen. Dafür verlangen diverse Inkassobüros eine Gebühr, zum Beispiel 100 Franken. Dafür gibt es keine gesetzliche Regelung. Doch wer darauf angewiesen ist, dass der Eintrag verschwindet, zahlt dann oft trotzdem.
Bestreiten der Zusatzkosten
Das Inkassobüro darf nebst der Grundforderung den vertraglich vereinbarten Verzugszins verlangen. Wenn nichts vertraglich vereinbart wurde, sind fünf Prozent pro Jahr geschuldet sowie die Mahnkosten, die im ursprünglichen Vertrag stehen, zum Beispiel in den Allgemeinen Vertragsbedingungen. Mehr kann ein Inkassobüro nur verlangen, wenn es nachweist, dass diese Gebühren nicht den gesamten Schaden decken.
Musterbrief Zusatzkosten bestreiten Inkassobüro (doc)
SRF Beitrag zu hohen Mahngebühren von Inkassobüros 13.7.21
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Der Verzugsschaden
Oft verlangen Inkassobüros zusätzlich zum Verzugszins einen sogenannten Verzugsschaden. Dazu hält das Bundesgericht fest:
«Der Verspätungsschaden nach Art. 106 OR ist nur soweit zusätzlich zu den gesetzlich geschuldeten Verzugszinsen gemäss Art. 104 OR zu ersetzen, als er diese übersteigt … Macht der Gläubiger einen den Verzugszins übersteigenden Schaden geltend, trägt er hierfür die Beweislast (Art. 106 OR in Verbindung mit Art. 8 ZGB; BGE 117 II 258 Erw. 2b). In der Regel ist dafür ein konkreter Schadensnachweis erforderlich.» (BGE 123 III 241)
Beispiel: Das Inkassobüro X hat von der Zahnärztin Y den Auftrag erhalten, eine Rechnung von 1000 Franken bei Frau Z einzukassieren. Das Inkassobüro versucht, unter der Bezeichnung «Verzugsschaden nach OR 105/107» sein Honorar in Höhe von 78 Franken in die Abrechnung zu schmuggeln. Frau Z schuldet diese Spesen nicht und kann die Rechnung über 1000 Franken plus allfällige fünf Prozent Verzugszins bezahlen. Damit ist die Sache erledigt.
Informieren Sie den ursprünglichen Gläubiger, wenn das Inkassobüro versucht, Ihnen Kosten zu verrechnen, die Sie nicht zahlen müssen.
Beitrag Konsumentenschutz.ch zum Inkasso vom 7.9.22: Muss ich den Verzugsschaden bezahlen?
Der Teilrechtsvorschlag
Wenn Ihnen überhöhte Kosten verrechnet werden: Machen Sie innerhalb von 10 Tagen direkt auf dem Zahlungsbefehl Teilrechtsvorschlag.
So machen Sie einen Teilrechtsvorschlag auf dem Zahlungsbefehl (pdf)
Inkassobüros vermeiden es vor Gericht zu gehen, wenn Schuldnerinnen «Verzugsschäden» mit einem Teilrechtsvorschlag bestreiten. Sollte ein Inkassobüro das trotzdem tun, dann melden Sie sich bei einer Schuldenberatungsstelle (Einladung zur einem Gerichtstermin aufgrund eines Rechtsöffnungsbegehrens des Inkassobüros).
«Inkassobüros wie Intrum Justitia wissen, dass sie diese Prozesse verlieren würden. Deshalb verhindern sie Gerichtsurteile.»
Der ehemalige Geschäftsführer von Schuldenberatung Schweiz, Sébastien Mercier, sagte, Inkassobüros bevorzugten die bestehende Rechtsunsicherheit, damit sie weiterhin hohe «Verzugsschäden» eintreiben könnten. Mercier bezeichnete dieses Vorgehen als «Rechtsmissbrauch». Trotz Rechtsunsicherheit empfahl er: «Schuldner sollten mit einem neutralen Einzahlungsschein nur Rechnungsbetrag und Schuldzins überweisen.» Weiter riet er, dem zuständigen Inkassobüro schriftlich mitzuteilen, dass der Schuldner die weiteren Spesen nicht anerkenne.
Es kann sogar passieren, dass eine Forderung nicht berechtigt ist: Inkassobüros prüfen oft gar nichts und fordern dann unbewiesene oder verjährte Forderungen.
Lassen Sie sich von solchen Forderungen nicht einschüchtern! Sie können sich mit einem Rechtsvorschlag dagegen wehren!
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Seit 1. Januar 2019 ist ein neues Gesetz in Kraft, das gegen ungerechtfertigte Betreibungen hilft.
Erhalten Sie eine ungerechtfertigte Betreibung, dann machen Sie innert der 10-tägigen Frist beim Betreibungsamt Rechtsvorschlag. Unternimmt die Gläubigerin drei Monate lang nichts, können Sie die «Nichtbekanntgabe der Betreibung an Dritte» verlangen. Dann fordert das Betreibungsamt von der Gläubigerin nachzuweisen, dass sie Schritte eingeleitet hat gegen den Rechtsvorschlag. Tut sie das nicht innert 20 Tagen, wird Ihr Gesuch gutgeheissen und der Eintrag erscheint nicht mehr im Register. Dieses Vorgehen kostet Sie 40 Franken. Siehe auch weiterführende Infos der Berner Schuldenberatung.
Link zur Medienmitteilung des Bundesrats: Neues Gesetz – Besserer Schutz vor ungerechtfertigten Betreibungen
Post vom Inkassobüro: Das sind Ihre Rechte! Merkblatt_SRF_Inkassoburos_2019
Kassensturz-Beitrag vom 12. Februar 2019: www.srf.ch/sendungen/kassensturz-espresso/post-vom-inkassobuero-das-sind-ihre-rechte
Link zum Konsumentenschutz: Muss ich den Verzugsschaden bezahlen?